Montag, 26. Mai 2014

Vätergeschichten auf dem Bärenplatz in Bern


Geschichten sammeln

Morgens um 10 Uhr richteten wir den Stand, legten Broschüren aus, stellten Stühle beauf und legten Notizpapier parat. Dann waren wir bereit, die Erzählungen aufzunehmen, die uns die Passanten mitteilen würden. Aber würden sie uns denn überhaupt Erinnerungen an ihre Väter preis geben? -
Ja: Sie taten es mit Lust.

Manche brachten fertige Geschichten mit und erzählten sie in einem Schwung. Geschichten, die man dabei hat, wie Familienfotos im Portemonnaie. Die Geschichte von Vater auf der Notfallsation oder von einer bedeutenden Fahrt mit dem Vater. Oder wie der Vater sich in einer brenzligen Situation hinter einen stellte.
Andere setzten sich mit einer vagen Idee hin, die im Erzählen Gestalt annahm. So eine Geschichte handelte von einem Vater, der merkwürdig unfassbar war - bis sich herausstellte, dass er noch ein anderes Kind mit einer fremden Frau gehabt hatte. Wieder andere waren beim Erzählen überrascht, was ihnen in den Sinn kam.
Wir Geschichtensammler waren im einen Fall Mitschreiber, im anderen Fall stellten wir uns als Gefährten auf dem Weg der Erinnerung zur Verfügung.

Der älteste Erzähler ist fast 80, die jüngsten sind unter 20 – es sind also drei Generationen vertreten. Die Jahrgänge der Personen, über die Erzählt wird, reichen von 1889 bis 2014 und umfassen einen Zeitraum von 125 Jahren.

Es gibt auch unaufgeschriebene Geschichten. So zum Beispiel diejenige des Mannes im Business-Anzug. Auf die Frage nach einer Geschichte über seinen Vater blickte er kurz auf, faste den Frager ins Auge und sagte: Ich weiss nicht, wer mein Vater ist. Oder die Geschichte jener Frau in den Siebzigern, die unwirsch reagiert und dann sagt: Wenn Vater nachhause kam, gab es Schläge. Und hinzufügt: Aber so war das halt damals.

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